Der Wünschelrutengänger -
Gustav von Pohls Experiment mit Wasseradern
Können Strahlen von unterirdischen Wasseradern Krankheiten erregen? Der Wünschelrutengänger Gustav von Pohl war davon überzeugt und versuchte es zu beweisen. - Ein wissenschaftliches Genie oder ein Scharlatan? - Claudia Decker vom BR-Radio schildert ein spektakuläres Experiment, das in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in Vilsbiburg stattfand.
Wer heute durch Vilsbiburg geht und die Bewohner nach Gustav von Pohl fragt, wird feststellen: Der Freiherr ist eine Institution in der niederbayerischen Stadt. Der Naturforscher und Wünschelrutengänger hatte Vilsbiburg 1928 für ein Experiment ausgewählt und bekam höchstoffiziell vom Gemeinderat die Erlaubnis, den Ort auf Wasseradern zu untersuchen. Die kühne These des Freiherrn: Alle Menschen, die hier in den letzten zehn Jahren an Krebs starben, lebten in Häusern auf unterirdischen Wasseradern.
1929 führte von Pohl unter strenger Aufsicht sein Experiment durch
Unter großer Aufmerksamkeit seitens der lokalen Presse durfte von Pohl 1929 sein Experiment durchführen, in Begleitung des Bürgermeisters, eines Polizeikommissärs, eines Polizeiwachtmeisters und einiger Gemeinderäte. Ein Arzt hatte gleichzeitig den Auftrag bekommen, sämtliche Krebsfälle der vergangenen zehn Jahre zu dokumentieren. Das amtliche Protokoll – es liegt heute im Stadtarchiv von Vilsbiburg – stellte fest, "dass Freiherr von Pohl der Nachweis, dass Todesfälle an Krebs ausnahmslos in Häusern, beziehungsweise Zimmern, beziehungsweise Betten erfolgen, die über besonders starken unterirdischen Wasserläufen stehen, im vollsten Maße gelungen ist".
"Zuerst während der Untersuchungen des Freiherrn von Pohl war Presseverbot. Und er hatte auch spezielle Genehmigungen, damit er auch die Hinterhöfe betreten darf. Nur sieben Tage in Vilsbiburg war die Untersuchung, und dann, vor dem Stadtrat, veröffentlichte er praktisch seine Untersuchungen." (Peter Käser, Fernmeldetechniker und Wünschelrutengänger aus Vilsbiburg)
Die Ärzteschaft protestierte heftig gegen Gustav von Pohls Lehre
Gegen von Pohls Strahlensuche und seine Lehre von der Schädlichkeit der Erdstrahlen erhob sich ein Sturm der Entrüstung vor allem von Seiten der Ärzteschaft. Aber Wünschelrutengänger und Brunnensucher sind auch heute noch gefragt und verblüffen immer wieder mit ihren Fähigkeiten. In Vilsbiburg ist das spektakuläre Experiment des Freiherrn unvergessen. - Claudia Decker hat nach Spuren des Experiments gesucht und festgestellt, dass die Debatten um Wirkung oder Scharlatanerie des Rutengehens heute noch genauso erbittert geführt werden wie vor über 80 Jahren.
War er ein Wissenschaftler oder ein Traumtänzer?
An Gustav von Pohl erinnert an seinem letzten Wohnort Dachau nichts mehr. Auf dem Stadtfriedhof war sein Grab und das seiner Frau zuletzt efeuüberwuchert. Auf der Steinplatte waren sein Name, das Familienwappen und die Jahreszahlen seiner Geburt und seines Todes eingraviert. Seit 2007 existiert es nicht mehr. Nur im Stadtarchiv gibt eine dünne hellblaue Mappe spärliche Auskunft über ihn. Eine fotokopierte Ausgabe seines Buches liegt in dieser Mappe, die Meldekarte aus dünner, brauner Pappe, Kopien einer Serie der Fernsehzeitschrift "Hör Zu" von 1983 über Erdstrahlen – "Warum sie unsere Gesundheit bedrohen" – ein paar Zeitungsartikel, die an seine Thesen erinnern. Auf einem Foto steht Gustav von Pohl im Garten, vielleicht vor seinem Dachauer Haus. Ein schlanker Mann, tadellos gekleidet, glänzend gewichste Schnürschuhe, Wollkniestrümpfe, Knickerbocker-Anzug, weißes Hemd, schwarze Fliege, Glatze, ein nicht unsympathisches Gesicht mit einem angedeuteten Lächeln, so steht er da, eine Wünschelrute in beiden Händen. Was für ein Mensch war er wohl? Verbohrt? Ein Traumtänzer? Einer, an dem ein Wissenschaftler verloren gegangen war?